Hätte mir einer gesagt, dass ich nach meiner Haft in einem solch versifften Loch, das sich zudem noch eine Schule schimpfte, landen würde, hätte ich es mir nochmals überlegt, ob ich auf diesen bescheuerten Deal eingehen würde. Doch so sah ich mich dazu genötigt von meiner Norton V4-RR zu steigen, den Helm abzunehmen, mir einmal durch die zerzausten Haare zu fahren und bei dem sich mir bietenden Anblick ausgiebig aufzuseufzen. Schlimmer geht immer oder wie? Frustriert ließ ich mein Prachtstück stehen und tat mehrere Schritte auf das Gebäude zu, ehe mir auch schon eine alte Schrulle mit spitzem Hut entgegenkam.
"Alistair, korrekt?" Ich wartete noch einen Augenblick mit einer entsprechenden Antwort, bis sie direkt vor mir stand.
„Nummer 1376, stets zu Ihren Diensten.” Galant griff ich nach ihrer Hand, um mittels eines charmanten Lächelns einen Kuss auf den Handrücken selbiger zu hauchen. Nicht einmal im Traum dachte ich daran ihre schrumpelige Haut anderweitig zu berühren, am Ende hätte ich mir Herpes oder dergleichen eingefangen und darauf konnte ich getrost verzichten. Ein Räuspern ihrerseits folgte und ebenso überraschend, wie ich ihre Hand ergriffen hatte, ließ ich diese auch wieder los. Locker hatte ich meinen Helm unter meinen Arm geklemmt und musterte nun die vor mir stehende Frau, welche sichtlich mit sich rang.
"Nun gut, wenn Sie mir bitte folgen würden." Mit einem verbindlichen Lächeln auf den Lippen wandte sie sich um und schritt voraus. Nochmals stumm aufseufzend machte ich mich also daran ihr zu folgen, auch wenn es mir widersprach am Rockzipfel dieser Alten zu kleben, da hatte ich wahrlich Bedeutenderes im Sinne.
Wie wir gerade ein Tor passierten, welches augenscheinlich in den Vorhof führte, schien sie jedoch jemanden zu erblicken, der ihre neuerliche Aufmerksamkeit erforderte, weshalb sie sich bei mir entschuldigte und auf ein Mädchen zutrat. Schulterzuckend nahm ich dies hin und machte mich daran schleunigst das Weite zu suchen. Hatte ich doch jetzt schon keinen Nerv mehr für das Ganze hier und wäre am liebsten wieder zurück in meine einsame Zelle, wo mich nicht irgendwelche dummen Bälger anrempelten und noch nicht einmal den Anstand besaßen sich für gleiches zu entschuldigen.
Sagte man nicht immer so schön, dass man sich von Äußerlichkeiten nicht täuschen lassen sollte? In diesem Fall war es jedoch so, dass sich innere und äußere Fassade in Geschmacklosigkeit und Verlebtheit in nichts nachstanden. Daher verlor die Innenarchitektur gleichsam meine Aufmerksamkeit wieder, wie sie sie gewonnen hatte und mein Blick glitt über die Wände geradeaus.
Ich konnte mir wahrlich besseres vorstellen, als mich durch diesen Knäul an Halbwüchsigen zu kämpfen. Doch wie vereinbart fand ich mich in der Großen Halle ein, wo ich mich vor allerhand fliegender Gegenstände in Acht nehmen musste. Als mich allerdings bereits zum dritten Mal nur knapp ein Buch verfehlte, griff ich es noch in der Luft und ließ es zu Staub zerfallen.
"Hey! Wa-" Ein Seitenblick meinerseits genügte jedoch, um die Stimme im Keim zu ersticken. Mit Genugtuung beobachtete ich, wie das Balg kurz zusammenzuckte und mir darauf meinen Frieden ließ. Es wollte mir unbegreiflich bleiben, weshalb von Seiten der Lehrerschaft ein solches kindisches Verhalten geduldet wurde. Disziplin erreichte in diesen Hallen wohl neue bodenlose Tiefen, konnte ich mir den sich bietenden Anblick nicht anders erklären.
Ich hatte gerade den Raum durchquert, wie mir die Alte von vorhin auch schon wieder entgegentrat. Doch dieses Mal war es nicht ihre Stimme, welche meine Aufmerksamkeit forderte.
Mit hochgezogener Augenbraue, wandte ich mich zu der Stimme um und erblickte eine Brünette mit ausgestreckter Hand. Meine braunen Augen blickten skeptisch auf diese Geste hinab und mir fiel es nicht einmal im Traum ein diese zu erwidern.
„Maven.” Damit sollten nun hoffentlich genug höfliche Gesten ausgetauscht worden sein und das Prozedere vorangetrieben werden, denn ich wollte nur eins, meine gottverdammte Ruhe.
"Ähm...ich heiße Tanith." Sie zog unsicher die Hand zurück. "Ich dachte, dass sich Menschen so begrüßen."
Ob dieser dummen Äußerung oder ihres Verhaltens musste ich mich beherrschen nicht die Augen zu verdrehen. Konnte allerdings ein gedehntes Aufseufzen nicht mehr verhindern.
„Kitten, es ist mir egal wie du heißt oder wie du glaubst, dass sich Muggel untereinander geben. Denn Fakt ist, dass ich kein Muggel bin und du dir deine Pseudo-Freundschaft für jemand anders aufsparen solltest.” Ich entfand es als äußerst anstrengend einen genervten Unterton aus meiner Stimme herauszuhalten. Daher wandte ich ihr demonstrativ den Rücken zu, um zu signalisieren, dass es nicht länger in meinem Interesse lag mit ihr eine Konversation zu führen.
"Kitten?" Sie wurde rot, denn sie wusste nicht, ob er sie anmachen oder beleidigen wollte. Dennoch rang sie sich dazu durch ihn etwas zu fragen. "Was ist eine Pseudo-Freundschaft?"
Gott bewahre, ein Hinterwäldler, schoß es mir bei ihren stupiden Fragen durch den Kopf und ich wägte ab, ob ich es wagen könnte mit weiteren verbalen Rundumschlägen aufzuwarten bis sie endlich verstehen würde, dass mir ihre Gesellschaft nicht behagte. Doch ich beließ es bei einem nichtigen Kopfschütteln und brummte ein schwer zu verstehendes
„Später” vor mich daher, in dem Gewissen, dass es kein später geben würde.